Geräuschempfindlich durch Stress: Was du jetzt tun kannst (mit Achtsamkeitsübung)

Ich brauche es oft still. Richtig still.

Wenn ich zu lange ohne absolute Ruhe bin, die ich übrigens nur durch ausreichend Alleinzeit bekomme, reagiere ich schon auf die pure Anwesenheit anderer Menschen „allergisch“. Selbst dann, wenn sie sich 3 Räume weiter aufhalten und wirklich leise sind. Es stört mich einfach. Und es spielt keine Rolle, wer diese Menschen sind und ob ich sie sonst gern in meiner Nähe habe oder nicht.

Und so wie mir geht es auch vielen meiner Klienten.

Ich möchte dir gern einen Einblick geben, was es mit dieser Geräuschempfindlichkeit auf sich hat und wie du damit umgehen kannst, falls es dich auch betrifft.

Jeder Mensch reagiert anders auf Geräusche

Nur, weil andere mit gewissen Geräuschen und Situationen scheinbar gut zurechtkommen, musst du das nicht auch. Oft setzen wir uns selbst zusätzlich unter Druck, weil wir meinen, wir müssen uns „nur daran gewöhnen“.

Geräusche werden aber nicht nur von Mensch zu Mensch unterschiedlich verarbeitet. Es hängt auch von der jeweiligen Situation ab, wie geräuschempfindlich wir sind.

So hat zum Beispiel unser Stresslevel einen sehr großen Einfluss darauf, wie wir auf Geräusche reagieren. Je mehr Stress wir haben, desto empfindlicher ist unsere Geräuschwahrnehmung.

Wenn wir uns jetzt noch mit anderen vergleichen und versuchen, uns anzupassen, um uns an einen gewissen Geräuschpegel zu gewöhnen, erhöhen wir durch den selbstgemachten Druck unser Stresslevel. Das hat die Folge, dass wir noch empfindlicher auf Geräusche reagieren.

Wir können übrigens empfindlich auf nur ganz bestimmte Geräusche reagieren, wie z.B. Schmatzen oder Kauen (Misophonie) oder allgemein auf nahezu alle Geräusche (Hyperakusis). 

Geräusche aktivieren unser inneres Alarmsystem

Jedes Mal, wenn wir Geräusche wahrnehmen, laufen diese über ein „Bewertungssystem“ im Gehirn. Bewerten wir die Geräusche als störend, irritierend oder gefährlich, springt unser inneres Alarmsystem an, um uns zu schützen.

Diese Bewertung erfolgt auf einer unterbewussten Ebene, die wir bewusst manchmal nicht direkt beeinflussen können. Und wenn, dann nur mit viel Übung. Es reicht meist nicht, störende Geräusche einfach nur schön finden zu wollen. Dein inneres Alarmsystem hat sowas wie eine „eigene Meinung“ zu den Geräuschen. Es lässt sich nicht austricksen.

Ist das Alarmsystem aktiviert, sind wir aufmerksam. Das heißt, wir können nicht abschalten. Wenn wir jetzt abschalten würden, würden wir uns eventuell einer möglichen Gefahr ausliefern.

Dieser Vorgang ist ganz natürlich. Besonders geräuschempfindlich werden wir dann, wenn das Alarmsystem lange Zeit aktiv bleibt – unser Stress also ein gewisses Niveau nicht unterschreitet.

Das kannst du tun, wenn du geräuschempfindlich bist

Da du mit steigendem Stresspegel auch geräuschempfindlicher wirst, ist es wichtig, dass du dich mit dir und deinen Stressauslösern auseinandersetzt.

Kurzfristige Mittel zur Stressreduktion können dich super unterstützen, lösen jedoch nicht das Grundproblem. Meist liegen hinter den offensichtlichen Auslösern bestimmte (bisher unbewusste) Gedanken- und Verhaltensmuster, auf die der Stress zurückgeführt werden kann.

Um einen Anfang zu finden, kannst du dich an Folgendem orientieren:

Situation akzeptieren

Das wichtigste ist, dass du dich nicht dafür verurteilst, dass du empfindlich auf Geräusche reagierst. Es ist, wie es ist. Und es hat einen Sinn – auch, wenn dieser gerade nicht offensichtlich ist.

Du musst die Situation an dieser Stelle nicht gut finden, brauchst dir aber auch keinen zusätzlichen Druck aufbauen und damit den Stress noch weiter erhöhen. Führe dir immer wieder vor Augen, dass dein Körper dich schützen möchte.

Stresslevel einschätzen und senken

Ist das Alarmsystem aktiviert, sind wir aufmerksam und hören noch besser hin. Auch dann, wenn keine wirkliche Gefahr droht. Das weiß ja unser Körper nicht. Das müssen wir ihm erst glaubhaft vermitteln.

„Gefahr“ – also Stress – verlangt nach einer Reaktion. Schätzt du dein Stresslevel sehr hoch ein, solltest du Stresshormone aktiv abbauen, z.B. durch Sport.

Ist dein Stress-Level eher irgendwo im mittleren Bereich – bist du z.B. „nur“ genervt, aber noch nicht wütend – können Entspannungstechniken helfen, den Stress nicht weiter ansteigen zu lassen oder ihn zu senken.

In meinem Artikel Nach einem Streit besser abschalten: 4 Schritte zu mehr Entspannung und Selbstbewusstsein gehe ich noch etwas genauer auf die verschiedenen Stresslevel ein und gebe Hinweise, wie du auf welchem Level mit dem Stress umgehen und innerlich zur Ruhe kommen kannst.

Oft merken wir gar nicht, wie gestresst wir sind. Haben wir uns erst an einen gewissen Stresspegel gewöhnt, fühlt sich dieser Dauerstress für uns normal an. Daher kann es sinnvoll sein, den Stress mal zu messen. In meinem Artikel Wie du deinen Stress messen kannst und warum du das tun solltest bekommst du eine Anleitung inkl. PDF-Vorlage, um deinen Stress zu messen.

Für Ruhe sorgen und ggf. Hilfsmittel nutzen

Wir brauchen Stille, um zu regenerieren. Wenn wir dauernd Geräuschen ausgesetzt sind, muss unser Körper ständig prüfen, wie er die Geräusche einzuordnen hat – also, ob „Gefahr“ droht oder nicht.

Wenn absolute Ruhe gerade nicht möglich ist, fokussiere dich auf wohltuende Geräusche.

Außerdem sind Geräusche eine „prima Ablenkung“. Wir brauchen die Ruhe, um uns auf uns selbst zu fokussieren. Um uns selbst zuhören zu können und um unsere Bedürfnisse klar wahrzunehmen. Aber auch, um uns unseren Sorgen und Ängsten zu stellen.

Viele Menschen sind so sehr daran gewöhnt, sich abzulenken und möglichst wenig Stille zuzulassen, dass sie gar nicht wahrnehmen können, dass sie sie eigentlich Ruhe brauchen.

Es ist wichtig, dass du versuchst, dir in deinem Alltag (feste) Ruhe-Inseln zu schaffen. Wenn du zu Hause nicht zur Ruhe kommen kannst, weil z.B. die Mitbewohner, Kinder oder Nachbarn das nicht zulassen, kannst du Folgendes versuchen:

  • gehe regelmäßig in der Natur spazieren (auch mit nörgelnden oder lauten Kindern kann Rausgehen stressfreier sein, als wenn ihr alle zu Hause bleibt)
  • verwende Gehörschutz
  • nutze Noise-Cancelling-Kopfhörer und lasse Entspannungsgeräusche laufen (Naturgeräusche, binaurale Beats – diese Geräusche bewerten wir in der Regel als positiv und wohltuend)

„Beziehung“ zum Geräusch verändern

Da wir besonders dann geräuschempfindlich sind, wenn wir die entsprechenden Geräusche als „bedrohlich“ einstufen, kann es helfen, die „Beziehung“ zu dem störenden Geräusch zu verändern.

Und das können wir tun, indem wir die Bewertung ändern.

Eine veränderte Bewertung sorgt dafür, dass der Stress zumindest nicht weiter ansteigt und wir damit nicht noch geräuschempfindlicher werden.

Ich möchte dir gern eine Achtsamkeitsübung vorstellen, die dir helfen kann, deine Geräuschempfindlichkeit zu lindern. Sie ist dann für dich geeignet, wenn du dein aktuelles Stresslevel im niedrigen oder mittleren Bereich einschätzt.

Es kann sein, dass du diese Übung einige Male anwenden musst, bis du eine Veränderung bemerkst. Und es hilft natürlich, neugierig und offen an die ganze Sache heranzugehen.

Fokussiere dich auf ein Geräusch in deiner Umgebung, das du leicht ärgerlich findest. Zum Beispiel das Brummen des Kühlschranks oder das Rattern eines entfernten Rasenmähers.

Schließe die Augen, sobald du dich für ein Geräusch entschieden hast, und nimm ein paar entspannende Atemzüge.

Höre nun ganz genau hin und nimm die subtilen Veränderungen im Verlauf des Geräusches wahr.

Stelle dir vor, wie dieses Geräusch in dieser Form völlig einmalig ist, seine ganz eigene Harmonie besitzt und deine volle Aufmerksamkeit wert ist.

Nimm wahr, wie deine Sichtweise und Bewertung sich möglicherweise verändert hat.

Fazit: Die Geräuschempfindlichkeit steigt und sinkt mit dem Stresspegel

Wir brauchen Ruhe, um zu regenerieren. Die einen mehr, die anderen weniger. Jeder Mensch reagiert von Natur aus anders auf Geräusche.

Wir können empfindlich auf nur ganz bestimmte Geräusche reagieren (Misophonie) oder allgemein auf alle Geräusche (Hyperakusis).

Gewisse Empfindlichkeiten sind völlig normal und schwanken im Laufe des Tages mit dem Stresspegel. Im Zweifel rate ich immer zur ärztlichen Abklärung. So kannst du ganz gezielt die für dich richtigen Maßnahmen finden.

Je gestresster wir sind, desto geräuschempfindlicher werden wir. Gleichzeitig sind es die Geräusche, die unseren Stresspegel ansteigen lassen. Denn unser Gehirn verbindet mit bestimmten Geräuschen mögliche Gefahren.

Es ist also wichtig, dass wir erkennen, auf welchem Stressniveau wir uns (möglicherweise dauerhaft) befinden. Je nach Stressniveau kann etwas anders helfen, die Geräuschempfindlichkeit zu lindern.

Über kurz oder lang kommen wir aber nicht drum herum, für ausreichend Stille zu sorgen – zur Not mit Hilfe eines Gehörschutzes (der auch individuell angepasst werden kann).

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