Stressende Gewohnheiten - So kannst du sie erkennen und verändern

Wusstest du schon, dass stressende Gewohnheiten nicht immer stressend waren?

Im Gegenteil: sie waren sogar mal sehr hilfreich.

Hier gebe ich dir einen Überblick darüber, wie stressende Gewohnheiten entstehen, wozu sie mal gut waren und wie du sie ablegen kannst.

Wie Gewohnheiten entstehen

Gewohnheiten entstehen dann, wenn wir uns dazu entscheiden, gewisse Dinge immer wieder zu tun (oder zu denken oder zu fühlen). Diese Entscheidungen treffen wir entweder ganz bewusst oder eher unbewusst.

So habe ich zum Beispiel irgendwann mal ganz bewusst damit angefangen, die Brotdosen für die Kinder direkt morgens nach dem Aufstehen fertig zu machen (statt am Vorabend, wie es ja auch viele tun). Die „Brotdosen-Routine“ mit ihren vielen kleinen Einzelschritten, die irgendwann entstanden ist, hat sich eher unbewusst entwickelt. Ich habe nicht drüber nachgedacht, welchen Schritt ich wann und wie mache. Die Entscheidungen habe ich also weniger bewusst getroffen.

Und genauso kannst du das auf alle anderen Bereiche deines Lebens übertragen. Nicht nur auf dein Verhalten, sondern auch auf deine Gedanken und Gefühle. Darauf komme ich gleich noch mal zurück.

Entscheidungen treffen wir übrigens immer auf Basis unserer bisherigen Erfahrungen – weil wir die jeweilige Erfahrung entweder wiederholen oder vermeiden möchten. Jede Gewohnheit, die daraus entsteht, hat also einen Nutzen für uns.

So erleichtern Gewohnheiten unseren Alltag

Das Gehirn macht es sich gern leicht und versucht mit so wenig Energieaufwand wie möglich zu arbeiten. Daher liebt es Gewohnheiten und Routinen. Denn die laufen automatisch und ohne bewusstes Zutun ab.

Um es etwas anschaulicher zu machen: Lesen ist für dich sehr wahrscheinlich nicht so anstrengend wie für einen Erstklässler, der ganz bewusst Buchstabe an Buchstabe und Wort an Wort reihen muss. Das Aneinanderreihen der Buchstaben und Wörter läuft bei dir ganz automatisch ab. Sogar Lücken im Text oder in der Geschichte werden vom Gehirn automatisch sinnvoll gefüllt, sodass du einen Zusammenhang erkennen kannst. Alles auf Grund deiner Erfahrungen und deiner Übung.

Lohnt sich der Aufwand?

Ich bin mir gerade nicht sicher, ob diese Zahl stimmt, aber wenn wir etwas Neues lernen, benötigen wir mindestens 7 Wiederholungen, damit dieses neue Wissen zumindest einigermaßen gefestigt wird.

Schließlich könnte diese neue Info und der Erfolg der evtl. damit verbunden ist (z.B. das gute Gefühl oder der Aha-Moment) ja auch nur Zufall gewesen sein. Und für Zufälle investiert das Gehirn keine Energie. Wird nun aber dieser „Zufall“ immer wieder bestätigt, erkennt das Gehirn, dass diese Info ja doch irgendwie wichtig ist und beginnt entsprechend Nervenzellen miteinander zu verknüpfen und das Gelernte zu festigen. 

Je nach dem, wo wir stehen, worum es geht und wie komplex oder emotional die neue Erfahrung oder Information ist, kann es natürlich auch länger dauern oder schneller gehen.

Jede Gewohnheit ist ein erlerntes Verhalten (Konditionierung).

Mehr Gewohnheiten, weniger Nachdenken

Dieses energieoptimierte Arbeiten des Gehirns spüren wir auch im Alltag. Immer, wenn wir etwas routiniert machen, müssen wir nicht erst darüber nachdenken.

Für neue Situationen gibt es allerdings noch keine hilfreiche Routinen. Also müssen wir mehr Energie aufwenden und sind schneller erschöpft, wenn wir mit entsprechenden Situationen konfrontiert werden.

Es gibt natürlich auch bestimmte Gewohnheiten, die uns erschöpfen.

Was sind stressende Gewohnheiten?

Wie du ja schon weißt, treffen wir Entscheidungen immer auf Basis unserer bisherigen Erfahrungen. Wir wollen eine Erfahrung entweder wiederholen oder vermeiden. Das heißt, wir möchten Schmerz vermeiden oder Freude empfinden.

Viele unserer heutigen Gewohnheiten haben ihren Ursprung in der Kindheit. Wie viele Dinge machst du genauso wie deine Eltern? Oder zumindest sehr ähnlich. Und dass, obwohl du dir damals vielleicht sogar geschworen hast, nie so zu sein wie sie. 😌

Wir lernen durch Erfahrungen und über Vorbilder. Und als Kind lernen wir sehr schnell, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Wir hinterfragen nicht, was wir von unseren Eltern lernen (oder von Geschwistern, Lehrern, Großeltern…). Und so entwickeln sich Gewohnheiten und Routinen überwiegend unbewusst – weil man das eben so macht. Sie werden zu unbewussten Lebensregeln.

Nicht alle Lebensregeln sind aber von den Vorbildern abgeschaut. Viele entstehen im Laufe der Zeit als Reaktion auf ein Problem. Wobei hier die Vorbilder auch Einfluss darauf haben, auf welche Art wir unsere Probleme bewältigen.

Wenn dir zum Beispiel immer wieder vermittelt wurde, dass du zu laut bist, hast du es dir vielleicht angewöhnt, dich extrem zurückzuhalten mit dem Spielen oder Sprechen. Das Problem bestand damals für dich darin, dass du auf deine Eltern angewiesen warst und dich anpassen musstest. Du hattest Angst, sonst von ihnen abgelehnt zu werden. Die Tendenz sich anzupassen ist ein überlebenswichtiger Schutzmechanismus, den wir alle in uns tragen. 

Das uns Grenzen gesetzt werden ist ganz normal. Das hat auch nichts mit Schuld oder Böswilligkeit der Eltern zu tun (ich lasse extreme Fälle jetzt bewusst außen vor). Deine Anpassung (dein „lieb sein“) wurde mit der Zeit zur festen und hilfreichen Gewohnheit.

Diese Gewohnheit läuft automatisch ab, ohne dass du bewusst etwas dafür tun musst. Sie ist tief im Unterbewusstsein verankert. Und das ist auch absolut richtig so. Deine Anpassung ist deine Lösung, die dir geholfen hat, dich in die Gemeinschaft (in die Familie) zu integrieren. Das hat als Kind dein Überleben gesichert.

Wenn die einstige Lösung zum Problem wird

Was dir damals geholfen hat, kann dir heute Probleme bereiten. Mal angenommen, du bist heute, auf Grund deiner damaligen Erfahrungen, vielleicht sehr schüchtern und zurückhaltend. Du hast also regelmäßig „Menschen-Stress“, weil du (unbewusst) befürchtest, jemandem zu laut zu sein oder das Falsche zu tun. Du passt dich immer noch an, obwohl du das gar nicht mehr musst. Und das tust du, weil dir dieses gewohnheitsmäßige Anpassen nicht (komplett) bewusst ist.

Und erst, indem du dir diese Gewohnheiten und Zusammenhänge bewusst machst, kannst du sie loslassen und somit deine Schüchternheit und den „Menschen-Stress“ überwinden.

(Es gibt auch die Möglichkeit, das Problem direkt im Unterbewusstsein zu lösen – ohne den Umweg über das Bewusstsein und ohne, dass du sämtliche Ursachen und Zusammenhänge erkennen musst. Das soll jetzt aber hier nicht Thema sein. Nur, damit du es mal gehört hast. Falls dich das näher interessiert, wäre der Yager-Code ein Beispiel für eine schonende und direkte Veränderungsarbeit im Unterbewusstsein.)

So kannst du stressende Gewohnheiten erkennen und verändern

Ganz wichtig: Suche nicht nach Problemen und hinderlichen Gewohnheiten, wo keine sind. Wenn du zufrieden bist und wenn du gerade keine Veränderungswünsche hast, darf das auch so sein. 🙂

Du glaubst gar nicht, wie oft und gerne wir manchmal nach Problemen, Fallen, Haken und Fehlern suchen. Unser Gehirn hat dafür „gute Gründe“ – nur sind einige davon ein bisschen veraltet. Es ist nicht immer nötig, bewusst nach Fehlern zu suchen. Wenn du ein Problem hast oder einen Veränderungswunsch, dann wirst du das merken. Die tauchen ganz von selbst auf. Und dann kannst du immer noch genauer hinsehen.

Steckst du in einem Stresskreislauf, aus dem du aussteigen möchtest, kannst du dich an folgenden Schritten orientieren:

1. Beobachte dich selbst

Erkennst du, dass du dich gerade in einer stressenden Situation befindest, versuche eine möglichst wertungsfreie Beobachter-Rolle einzunehmen.

Mir hilft dabei die bildliche Vorstellung, wie ich aus der Situation aussteige und von oben auf sie (und mich) herunter schaue. Oder du versuchst dir vorzustellen, wir du diese Situation als Video vorgespielt bekommst. Auf diese Art bekommst du etwas Abstand zu dem emotional stressenden Moment und gerätst nicht tiefer in den Stresskreislauf.

Oft erkennen wir aber erst hinterher, was gerade los war. Das ist ganz normal. Du kannst die Beobachter-Rolle auch dann noch einnehmen und die Situation reflektieren.

2. Stelle dir die richtigen Fragen

Fragen öffnen den Geist für neue Möglichkeiten. Stellst du dir eine Frage immer wieder, geht das Gehirn auf die Suche nach Antworten. Du kannst Fragen natürlich auch super zur Selbstbeobachtung einsetzen.

Um stressende Gedanken und Gewohnheiten abzulegen, können z.B. folgende Fragen helfen:

1. In welchen Situationen spüre ich inneren Frieden und Geborgenheit?

2. Was denke ich in diesen Situationen über mich und über das Leben im Allgemeinen?

3. Wenn ich nun an die stressigen Momente denke: Was könnte ich ändern, um mit (etwas) mehr Ruhe und Entspannung durch diese Momente zu gehen? (Wie kann ich in stressigen Momenten meine Erkenntnisse von Frage 1 und 2 für mich nutzen?)

3. Nutze deine Vorstellungskraft

Ob mit kurzen Bildsequenzen oder durch geführte Meditationen: Nutze Bilder, um deine Gefühle und deine Wahrnehmung zu verändern.

Das Gehirn kann Bilder leichter erfassen und verarbeiten als Worte. Und alles, was du siehst, denkst oder fühlst, löst eine körperliche Reaktion aus. Mit Hilfe deiner Vorstellungskraft kannst du Bilder entstehen lassen, die für ein gutes Gefühl sorgen.

Wenn du z.B. das Meer liebst, stell dir vor, du sitzt am Strand, spürst den Sand zwischen den Zehen, hörst die Wellen rauschen… Tauche richtig ein und fühl mal, was sich (körperlich) verändert.

Ansonsten gibt es im Netz unzählige kostenlose Meditationen, die du ausprobieren kannst. Besonders dann, wenn es dir schwer fällt, allein entsprechende Bilder abzurufen.

Bis das Visualisieren richtig wirkt, braucht es etwas Übung. Setz dich nicht unter Druck und nimm dir Zeit. Mach es einfach so gut wie es eben geht. Du kannst dabei nichts falsch machen.

4. Hole dir einen Blick von außen

Unser Gehirn filtert unsere Wahrnehmung und versucht immer, bisher gemachte Erfahrungen zu bestätigen. Das heißt, wir können manchmal keine andere Sichtweise einnehmen oder eine hinderliche Gewohnheit erkennen.

Was dann hilft, ist jemand mit einer anderen Wahrnehmung und eine gewisse Offenheit für neue Sichtweisen und Wege.

Den Blick von außen können wir durch Gespräche oder schriftlichen Austausch mit Freunden und Bekannten oder über ein Coaching bekommen. Aber auch ein Buch zeigt dir neue Sichtweisen und Möglichkeiten.

5. Bleibe dran

Was du über Jahre tagtäglich tust, lässt sich nicht über Nacht einfach abgewöhnen. Außerdem erfolgt Entwicklung nicht gradlinig, sondern eher spiralförmig. Es ist also völlig normal, falls du manchmal das Gefühl hast, Rückschritte zu machen.

Irgendwie kommst du immer mal wieder zum Ausgangspunkt zurück. Da du aber unterwegs neue Erfahrungen gemacht und dich weiterentwickelt hast, schaust du sozusagen von einer etwas „höheren Ebene“ auf diesen Ausgangspunkt.

Es ist also kein wirklicher Rückschritt, sondern eher ein Rückblick von einem neuem Standpunkt aus.

Hier noch mal kurz im Überblick

  • Gewohnheiten basieren auf einer bewussten oder unbewussten Entscheidung.
  • Sie erleichtern unseren Alltag, weil wir nicht jedes Mal wieder eine neue Entscheidung treffen müssen (aber wir dürfen, wenn wir wollen!).
  • Gewohnheiten sind tief im Unterbewusstsein verankert.
  • Jede Gewohnheit ist oder war die Lösung für ein Problem.
  • Passt diese Lösung nicht mehr zum Problem (weil es in der Form nicht mehr existiert), kann die Gewohnheit selbst zum Problem werden.
  • Stressende Gewohnheiten kannst du verändern, indem du sie dir bewusst machst (alternativ oder unterstützend kannst du auf Hilfsmittel zurückgreifen, die direkt im Unterbewusstsein wirken)

Das hilft dir dabei, deine stressenden Gewohnheiten Schritt für Schritt abzulegen:

  • Beobachte dich und die Situation, ohne es zu bewerten.
  • Stelle dir die richtigen Fragen, um zu neuen Erkenntnissen und Lösungsideen zu kommen.
  • Nutze deine Vorstellungskraft, um deine Gefühle und Wahrnehmungen zu verändern.
  • Hole dir einen Blick von außen, um eine neue Sichtweise einzunehmen.
  • Bleibe dran und sei nicht zu streng mit dir.

Möchtest du gesündere Gewohnheiten entwickeln und somit „Menschen-Stress“ reduzieren, kann dich meine Menschenfieber-Post dabei unterstützen.

Foto von Luis Rodrigues von Pexels

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Anett Enderlein - Psychologisches Coaching

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